Foto: Brunsbüttel-Ports

20. Mai 2025

Brunsbütteler Industriegespräch Spezial: CO2 reduzieren, nutzen, speichern – Wie funktioniert das?

Insbesondere die Industrieunternehmen an der Westküste und im ChemCoast Park Brunsbüttel, dem größten zusammenhängenden Industriegebiet des Landes, stellen sich der Herausforderung. Dafür sind sie gleichzeitig auf innovative Lösungen für die sogenannten „unvermeidbaren CO2-Emissionen“ angewiesen.

Vor diesem Hintergrund fand heute im Brunsbütteler Elbehafen das Brunsbütteler Industriegespräch (BIG) Spezial statt. Mehr als 100 Gäste aus Wirtschaft, Politik, Verwaltung und Wissenschaft folgten der Einladung der Werkleiterrunde des ChemCoast Park Brunsbüttel und deren Sprecher Frank Schnabel. Im Rahmen der Redebeiträge des MEKUN-Staatssekretärs Joschka Knuth und Professor Klaus Wallmann sowie weiteren hochrangigen Experten aus der Wirtschaft informierten sie sich über innovative CO2-Abscheidungs-, Nutzungs- und Speichertechnologien (CCUS) und diskutierten deren Bedeutung für die industrielle Transformation. Deutlich wurde hierbei vor allem, dass das Erreichen der Klimaziele nur unter Einsatz ebendieser Technologien gelingen kann.

Fest steht: Nicht überall lassen sich CO2-Emissionen vollständig vermeiden – unter anderem betrifft dies die Zementproduktion. Neben der Möglichkeit, CO2 wieder in den Produktionskreislauf zu bringen und als Ausgangsstoff in industriellen Prozessen zu nutzen, ist vorgesehen, CO2 abzuscheiden und in unterirdischen Lagerstätten zu speichern. Aus diesem Grund soll am Standort Brunsbüttel ein zentraler CO2-Hub entstehen, der als logistischer Knotenpunkt für die Zwischenlagerung, spätere Nutzung (Carbon Capture and Utilization, CCU) und den Weitertransport zu sicheren Speicherstätten (Carbon Capture and Storage, CCS) fungieren wird.

Neben weiteren wichtigen Partnern wird hier insbesondere dem Brunsbütteler Elbehafen eine entscheidende Schlüsselrolle zuteil: Parallel zu seiner Funktion als Energiedrehscheibe mit bundesweiter Bedeutung positioniert sich der Hafen als Export-Hub für Gase wie beispielsweise CO2. „Mit dem Brunsbütteler Elbehafen als Hub für verschiedene Energieträger und Gase leistet der Industriestandort Brunsbüttel einen wesentlichen Beitrag zur Klimaneutralität. Als vielseitiges Logistikunternehmen können wir neben hohen Sicherheitsstandards und einer modernen Infrastruktur langjährige Erfahrung auf dem Gebiet vorweisen“, betont Frank Schnabel als Geschäftsführer der Brunsbüttel Ports GmbH und SCHRAMM group.

Das erste CO2 soll schon Ende des Jahrzehnts nach Brunsbüttel kommen - und zwar durch eine knapp 30 Kilometer lange Pipeline aus dem Holcim Zementwerk in Lägerdorf. Später soll diese Pipeline Teil eines europäischen Pipelinenetzes werden, in dem CO2 aus verschiedenen Industrien transportiert werden kann. Im Rahmen des Projektes „Carbon2Business“ plant das Industrieunternehmen, sein dortiges Zementwerk als eines der ersten weltweit bis 2030 klimaneutral umzubauen. „Wir sind fest entschlossen, zusammen mit unseren Partnern und der Landesregierung die Zukunft der Industrie in Schleswig-Holstein klimaneutral zu gestalten“, betont Thorsten Hahn, CEO von Holcim Deutschland, der ebenfalls am heutigen BIG Spezial im Brunsbütteler Elbehafen teilnahm.

Weitere wichtige Partner für die Entstehung des CO2-Hub Brunsbüttel sind die Open Grid Europe GmbH (OGE) für Planung, Bau und Betrieb der Leitung sowie die Linde GmbH: „Als seit vielen Jahren am Standort ansässiges Unternehmen engagiert sich Linde gemeinsam mit Partnern für einen schnellen Einsatz von CCUS-Technologien in Deutschland, um das Ziel der Treibhausgasneutralität erreichen zu können“ betont Dr. Dominik Albrecht, Director Business Development, Linde GmbH.

Sichere CO2-Speicherung: Ein möglicher Speicherort liegt auch unter dem Meeresboden der Deutschen Nordsee. Hier befinden sich laut Prof. Wallmann vom GEOMAR Helmholtz Institut für Ozeanforschung Kiel geologische Formationen, insbesondere salzwasserführende Sandsteinformationen, die das CO2 dauerhaft und sicher aufnehmen könnten. Allerdings müssen die möglichen Standorte noch sorgfältig untersucht werden, bevor dort CO2 gespeichert werden kann. Nach den Plänen der neuen Bundesregierung sollen die dafür notwendigen rechtlichen Rahmenbedingungen zeitnah geschaffen werden.

Darüber hinaus bietet sich die Zusammenarbeit mit Dänemark und Norwegen an, die bereits über zugelassene Offshore-Speicher und etablierte CCS-Infrastruktur verfügen. Brunsbüttel ist dabei als Exportknotenpunkt für flüssiges CO2 prädestiniert: Vom Elbehafen aus kann das CO2 per Schiff zu den Speichern in der Nordsee transportiert werden. „Der Export von CO2 nach Skandinavien stellt eine wichtige Übergangslösung dar, bis auch in Deutschland erste Offshore-Speicher in Betrieb gehen“, so Prof. Wallmann in seinem Redebeitrag.

CO2 als Rohstoff: Langfristig geht es jedoch nicht nur um Speicherung – sondern um Weiternutzung und Zirkularität, also den Aufbau einer Kreislaufwirtschaft. Ziel ist es, abgeschiedenes CO2 als Rohstoff für industrielle Prozesse zu nutzen. Das Treibhausgas wird bei diesem Ansatz als Grundstoff der chemischen Industrie beispielsweise zu einem Spielstein. Wenn dessen Lebensdauer erschöpft ist, kann er als Ersatzbrennstoff energetisch in der Zementproduktion verwertet werden, wobei das CO2 wieder abgeschieden wird und nach Aufbereitung erneut als Grundstoff dient, zum Beispiel für neue Spielsteine. Somit entsteht ein geschlossener CO2-Kreislauf, bei dem das Gas nicht in die Atmosphäre entweicht.

Entscheidend ist die Energiequelle, die dem jeweiligen Energieträger zugrunde liegt: Somit ist es - neben dem Einsatz von grünem Strom - beispielsweise im Falle der Produktion von Wasserstoff wichtig, den derzeit eingesetzten grauen (aus fossilen Energiequellen hergestellten) Wasserstoff durch grünen Wasserstoff zu ersetzen. So könnten CO2-Emissionen bei hiesigen Unternehmen deutlich sinken. „In diese Richtung wird sich der Standort Brunsbüttel weiterentwickeln: hin zu einer CO2-Kreislaufwirtschaft, in der Emissionen nicht mehr als Abfall, sondern als Ressource genutzt werden, um so aktiv zur Minderung des CO2-Fußabdrucks beizutragen“, betont Frank Schnabel in seiner Rolle als Sprecher der Werkleiterrunde.

Dieses Vorhaben unterstreicht auch Joschka Knuth, Staatssekretär im MEKUN: „Als Landesregierung und Industrieunternehmen haben wir eine gemeinsame Verantwortung zur Erreichung der Klimaziele und ein gemeinsames Ziel, auf diesem Weg zugleich neue Wettbewerbschancen zu nutzen. Unabdingbar ist der Verzicht auf fossile Energieträger. Damit das möglich ist, sorgen wir für Grüne Energie im echten Norden und haben Schleswig-Holstein zur Vorzeigeregion der Energiewende gemacht. Perspektivisch wird CO2 als Ressource eine wertvolle Rolle in der Industrie spielen können. Für einen echten CO2-Kreislauf bietet sich der Standort Brunsbüttel dabei ebenso an, wie für den Transport von CO2 für eine Verpressung in CCS-Projekten. Klar ist aber auch, dass dafür höchste ökologische Standards gelten müssen. Schleswig-Holstein ist bereit, im engen Schulterschluss mit Industrie und Forschung eine verantwortungsvolle Rolle bei der Weiterentwicklung dieser Technologien zu übernehmen.“

„Der ChemCoast Park Brunsbüttel ist der größte industrielle Kern des Landes und somit ein Schlüsselfaktor für das Gelingen der Energiewende und das Erreichen der Klimaziele in Schleswig-Holstein. Dazu bieten die hier ansässigen Unternehmen rund 12.500 gesicherte Arbeitsplätze, darunter knapp 4.500 direkt am Standort. Um die gemeinsamen Ziele zu erreichen und auch in Zukunft nachhaltig zu wirtschaften, sind wir auf stabile und verlässliche politische Rahmenbedingungen angewiesen – das betrifft in diesem Fall vor allem gesetzliche Grundlagen für CCUS-Technologien“, so Schnabel abschließend.